Mittwoch, 6. März 2013

#128

Songzitat des Tages:
" All I wanted was to feel alive "
- Don't Take Chances - We Are The Ocean

Erschöpft lehnte ich mich gegen die Zimmerwand und ließ mich langsam runtersinken. Mit geschlossenen Augen tastete ich nach der Fernbedienung für das Radio und schaltete es ein. Ich konzentrierte mich auf die Musik und versuchte das laute Geschrei meines Bruders und meiner nervigen Cousins auszublenden.
Ich hasse Familiengeburtstage. Wirklich. Aus tiefsten Herzen.
Diese schlechten, aber wohl gutgemeinten Witze, die ich immer zu hören bekomme oder Sprüche á la "Du wirst immer hübscher". Kann ich getrost drauf verzichten. Ich brauche keine Lügen. Manche Wahrheiten kann ich ganz gut verkraften. Außerdem war ich noch nie ein guter Small-Talk-Betreiber. War ich noch nie, Werde ich nie, will ich auch gar nicht. Mehr als ein müdes Lächeln haben sie dafür noch nie bekommen. Werden sie auch nie. Höchstens ein paar Sympathiepunkte weniger.

"Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist[...]" dudelte es aus den Lautsprecherboxen. Wie schön wäre es, wenn das wahr wäre. Aber wenn es so wäre, hätte ich weniger Probleme, weniger Schlaflose Nächte, weniger Hemmungen. Seufzend drehte ich mein Bier in der Hand und nahm ein tiefen Schluck. DAS ist der einzige Vorteil an Geburtstagen. Ausnahmsweise hat niemand was dagegen, wenn ich in der Woche trinke, wenn man von den dummen Sprüchen jedenfalls absieht. Aber für einen angeheiterten Zustand nehme ich die gerne in Kauf. Denn dann stören die nicht mehr ganz so sehr.. und es fällt mir wesentlich leichter auf fröhlich zu tun.

Ich stellte mein Bier zur Seite und lehnte meinen Kopf gegen die angenehm warme Heizung und kratzte meinen Arm. Als ich plötzlich etwas feuchtes an meinen Fingern spürte. Blut. Toll. Hab mal wieder den Schorf von dem Kratzer abgemacht. Wenn ich damit nicht aufhöre, wird das eine verdammt hässlicher Narbe.
Was mich im Grunde nicht stört. Ich sehe sie irgendwie als ein Teil von mir an. Sie machen es leichter, mich davon abzuhalten, erneut zur Klinge zu greifen.
Ich kann nicht erklären, wieso,

aber sie geben mir Halt, Hoffnung.

"Vanessa! Kommst du essen?!" , brüllte mein Bruder, als würde er nicht direkt neben mir stehen. Ich hatte ihn gar nicht reinkommen gehört.
"Gleich." Eigentlich habe ich gar kein Hunger mehr. Seit Wochen schon nicht. Aber ich esse trotzdem. Um mich abzulenken und damit niemand sich Sorgen macht, ich werde magersüchtig oder so.
Nur Fleisch esse ich nicht mehr oder eher selten. Es schmeckt mir nicht mehr. Keine Ahnung wieso. Aber mir wird schon schlecht, wenn ich es rieche..

Ich nahm noch ein Schluck von meinem Bier und erhob mich langsam, ging ins Wohnzimmer und zwang mich ein gut gelauntes Gesicht aufzusetzen und vorallem zwang ich mich zu essen...

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